Oker

Neugestaltung der Ortsmitte
Goslar - Oker

Wettbewerb2000, 1. Preis
Planungszeitraum2000-2004
Fertigstellung2006
BauherrStadt Goslar
LeistungenLPH 1-9
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In der Ortsmitte von Oker, dem Eingangstor zum Oberharz, beidseitig des Flußlaufes und unweit entfernt von der ehemaligen Bleihütte zu bauen, birgt die Verpflichtung aber gleichsam auch die Chance der Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe des Ortes.
In dieser durchaus attraktiven innerörtlichen Lage ist, vor dem Hintergrund der in Teilen unübersehbar geschundenen Landschaft, der vielfachen Abnutzung und dem Verbau historisch bemerkenswerter Gebäudesubstanz, neben der Revitalisierung des Bestandes, die Ergänzung mit charaktervollen neuen Bauwerken im Kontext von besonderer Bedeutung. Dabei muß, gleichrangig mit der Gebäude - Architektur, die Gestaltung der Straßen - und Tiefbaumaßnahmen eine hervorragende baulich - räumliche Wirkung zum Ausdruck bringen. Für die Neubauten heißt dies : Ausformulierung eines klaren Ordnungsprinzipes sowie deutlicher Gestaltungswille in städtebaulicher und architektonischer Hinsicht mit dem Bekenntnis zur wertigen Materialisierung.
Voraussetzung für Verbesserungen aus den sich im Zuge der Verlegung und des Ausbaues der B498 einstellenden erheblichen funktionalen und gestalterischen Veränderungen der Ortsmitte ist, daß Verkehrsplanung als integraler Bestandteil einer städtebaulichen Gesamtplanung gleichrangig neben anderen Disziplinen wie z.B. Landschafts- bzw. Gebäudeplanung verstanden wird. Gleichwohl ist bei der planerischen Abwägung im Sinne des Erreichens eines guten Ganzen Kompromißbereitschaft und die Fähigkeit zum Konsens vonnöten.
In medias res :
Lineare Raumbilder begleiten bereits am Beginn des Okertales die Bewegungsräume in Nordsüd Richtung stets für Autofahrer; hier, in der Ortsmitte von Oker aber vorrangig  für Fußgänger und Radler : westliche Okerpromenade und östliche Okerterrasse, steinernes und grünes Okerufer, Neue Bahnhofstraße, Neue Bundesstraße. In Ostwest Richtung vernetzen an dafür prädestinierten Orten neue Brücken und Stege den Stadtraum des Zentrums. Die Raumbilder werden rhythmisiert durch Merkmale und Fixpunkte zur Orientierung und  Identifikation.
Auf den natürlich mäandrierenden Wasserlauf der Oker wird baulich komplementär geantwortet: am westlichen Ufer, dem Prallhang, oben die steinerne Promenade und unten am Wasser der Uferweg - östlich, im Relief der Okerniederung, die grüne Schlepphangausbildung, dahinter die neue Entlastungsstraße, begleitet von Naturstein bekleideten Stütz- und Lärmschutzwänden.
Grünsequenzen aus Baumreihen, Einzelbäumen, Gehölzen, Büschen, Hecken, Rasenflächen und Blumen in Privatgärten und auf öffentlichen Flächen thematisieren die Wege : auf der westlichen Okerpromenade, dem Vorgarten - bzw. Hofgartenmotiv zwischen Kirchenbrücke und Cramer von Clausbruch Steg vorgelagert, die Zierkirschen - Allee, überleitend zu Solitärbäumen im Abschnitt Talstraße ; entlang der östlichen Okerseite, die Okerterrasse mit Pergola, begleitet von einer stattlichen Baumkulisse, anknüpfend an den Waldsaum des Stobenholzes ; im sanft undulierten Relief der grünen Okerniederung pointiert eingestellte Baumgruppen und als ultima ratio im Falle hier unverzichtbarer Lärmschutzwände : beidseitig angelegte Hecken - bzw. Gehölzstreifen und selbstklimmende Rankgewächse. An der ostwestlichen Hauptwegeverbindung künden im unteren Abschnitt entlang des Höhlenweges Stockrosen im Traufbereich der Häuser den Zugang zum Stadtpark an ; die nordöstlich der Martin-Luther-Kirche begonnene Entsiegelung der aufgelassenen Betriebsflächen durch eine Initialbegrünung des ehemaligen Hüttengeländes schafft einen raumwirksamen grünen Horizont. Unter dem Baumdach : Parkplätze auf versickerungsfähigen Pflasterstreifen, eine durchgehende Rasenfläche und in wassergebundener Decke die neue Hütten - Allee.
Bauliche Sequenzen, Gebäudeensemble und Einzelbauwerke in einer zeitgemäßen, zurückhaltenden doch gleichwohl selbstbewußten Formensprache flankieren das jeweilige Wegethema unterstützend, auch in der Materialisierung und Farbgebung einem hier vertrauten Gestaltungskanon folgend, stets eingängige Orientierung gewährend.
Hervorgehoben seien hier beispielsweise :
Der signifikant befriedete Kirchhof mit Laubengang um die Martin-Luther-Kirche : Gleichsam anmutend eine freistehende Kirche mit geschütztem Kirchplatz eingefaßt mit einer Natursteinmauer und Pergola, als fernwirksame Landmarke für die Ortsmitte Oker ebenso schlüssig arrondiert, wie pikant in den Dialog mit den baulichen Schwerelinien der  Raumflucht an der Oker eingebracht.
Das raumbildende Langhaus am Kirchplatz, die Nahtstelle zwischen Höhlenweg und Hüttenstraße : Einprägsames Gebäudemotiv an der innerörtlichen ostwestlichen Hauptwegeverbindung ; im Dreigestirn mit der Kirche und der Kirchbrücke maßstäblich korrespondierend und gestalterisch vermittelnd zwischen den flankierenden Stützwänden der Okerterrasse entlang der B 498, dem ehemaligen Hüttenamt und der traufständigen Bebauung an der Reichenstraße. Last not least : im nördlichen Bereich des Langhauses die Terrasse des Hütten-Cafe´s und der Biergarten des Höhlen-Gasthofes sowie Gemeinschaftsräume im Obergeschoss ; im südlichen Abschnitt Wohnungen.
Das Torhaus an der Kirche, am Übergang zwischen Kirchhof, dem Hof des ehemaligen Hüttenamtes und der Hüttenallee :  Gebäude der Kirchengemeinde mit wenigen überdeckten Stellplätzen im Erdgeschoß.
Die Baugrundstücke für das Langhaus und das deutlich kleinere Torhaus werden vorgehalten und in der ersten Baustufe durch Hecken und Rasenflächen in die Konzeption integriert. Die zwischen Langhaus und ehemaligem Hüttenamt gelegene leicht geneigte Platzfläche wird durch eine Stützmauer mit Treppenanlage eingefaßt und lädt zum Verweilen vor den schönen Fassaden der ortstypischen Gebäude der Reichenstraße Nr. 4-7 ein. Der Kleingarten mit Garage bleibt in dieser Baustufe erhalten. Die Straße vor den Häusern der Hüttenstraße Nr. 3-5 wird im Querschnitt reduziert, die gewonnene Fläche als Vorgärten den anliegenden Gebäuden zugeschlagen.
Zwischen Kirche, Langhaus und Torgebäude wird langfristig die Etablierung eines Wochenmarktes angestrebt. Aber auch dem unterschiedlichen Platzbedarf anderer Marktformen wie Weihnachtsmarkt, Blumenmarkt etc. kann die Fläche gerecht werden.
Die Busse werden nach Bau der neuen Bundesstraße ausschließlich auf der Bahnhofsstraße zentral an der neuen Haltestelle im Bereich des Hundemarktes halten.
Die Erschließung des nördlich angrenzenden geplanten Gewerbegebietes auf dem ehemaligen Hüttengelände sowie der beiden Verbrauchermärkte wird über die neue Hüttenstraße erfolgen. Die Rad- und Fußwegeverbindung beider Okerseiten wird sich über die neue Kirchenbrücke, den Kirchplatz und die neue Hüttenallee bis in das neue Gewerbegebiet einstellen. Der Kirchplatz bleibt frei vom Autoverkehr (einzige Ausnahme: temporärer Parkplatz für Brautpaare), die Erschließung der Häuser Reichenstraße Nr. 4-7 bzw. des Bereiches hinter dem ehem. Hüttenamt erfolgt südl. der Kirche. Zwischen Einfassungsmauer der Kirche und Beginn der neuen Hüttenallee wird der Bereich verkehrlich an die neue Hüttenstraße angeschlossen. Fahrradabstellbügel werden in ausreichender Zahl dezentral am Hundemarkt, am Eingang zum Stadtpark und auf dem Kirchplatz bzw. am Beginn der Hüttenllee realisiert. Stellplätze für den Kraftfahrzeugverkehr werden künftig durch die Anlage von Längsparkstreifen an der Bahnhofsstraße und beiderseits parrallel zur Hüttenallee geordnet. Im Einmündungsbereich der örtlichen Feuerwehr sind temporär Stellplätze für Einsatzkräfte auf einer befestigten Grünfläche vorgesehen.
Das wiederkehrende Gebäudemotiv der raumbildenden Brücken : erinnerbar auf Grund der markanten Tragkonstruktionen ihrer Überbauten.
Das identitätsstiftende Thema der Materialisierung in regional verfügbarem Naturstein : hell-ockerfarbener Kalksandstein als Bekleidung für die Stützbauwerke von Promenade, Terrasse, Mauern und Stegen entlang der Oker in der Ortsmitte. In verwandtem Farbton darauf abgestimmt die Pflasterbeläge am Kirchhof, Kirchplatz, Hütten - und Reichenstrasse sowie in der Neuen Bahnhofstraße, dem Höhlenweg und in Teilen der Talstrasse. Die wassergebundene Decke der Hütten-Allee und im nördlichen Eingangsbereich zum Stadtpark sind ebenso hellsandfarben, wie der Kies unter der Zierkirschen -Allee auf der Okerpromenade und das  Pflaster auf dem Kirchplatz.
Die Gesamtanlage der Ortsmitte entlang des Wasserlaufes der Oker, mit den grünen und steinernen Gestaden ist in Zonen verschiedener Niveaus und unterschiedlicher Stimmung gegliedert. Jeder Bereich liegt in einem anderen Licht : Schatten, Halbschatten, Sonne.
Die Adresse ist gegeben, für den einprägsamen Charakter und die Unverwechselbarkeit der neuen alten Ortsmitte eine tragfähige Baustruktur weiterentwickelt, für Aneignung und Individualität Raum und Freiheit gelassen. Alle weiteren  notwendigen  Nachweise der architektonischen Gestaltung bleiben einem anderen Maßstab vorbehalten. Dabei gilt :
" Wer immer in allen Jahrhunderten nur ein Notwendiges plante, hat auch das Notwendigste nicht erreicht. Die Menschheit bedurfte des emotionalen Bezuges zu ihren Wohnstätten, sie forderte die ästhetische Überhöhung, eine Kultur der Gestaltung, die dem Alltag mehr als allein Glanz verleiht. "    Braunfels